Alternative Pseudarthrosetherapie? Ein Erfahrungsbericht von Dr. Raul Borgmann

2021-01-07_news_Dr_Raul_Borgmann

Im vorliegenden Beitrag stellt der Autor einen Fall vor, bei dem mittels fokussierter Stosswellentherapie in Kombination mit einer ultraschallgesteuerten Platelet-Rich-Plasma(PRP)-Injektion gute Ergebnisse bei der Therapie einer Pseudarthrose am Femur erzielt werden konnten.

Anfang April 2020 stellte sich ein junger 34-jähriger Mann mit einer Femurschaftpseudarthrose – zehn Monate nach einem schweren Verkehrsunfall mit einem Quadbike – in meiner orthopädischen Sprechstunde vor. Die Fraktur war im Mai 2019 mit einem langen proximalen Femurnagel osteosynthetisch versorgt worden und im Schaftbereich nicht verheilt (Abb. 1).

Abb. 1: Femurschaft vor der Stosswellentherapie.

Abb. 1: Femurschaft vor der Stosswellentherapie.

Bei der Kontrolle Anfang März in der Universitätsklinik wurde dem Patienten nun mitgeteilt, die Pseudarthrose müsse revidiert werden, das Osteosynthesematerial entfernt, der Frakturspalt angefrischt sowie mit Beckenkammspongiosa aufgefüllt und das Ganze mit einem Ringfixateur refixiert werden. Postoperativ müsse er dann entlasten, wäre zunächst an den Rollstuhl gebunden und müsse sich auf eine mehrmonatige Reha-Phase einstellen.

Effekt der Corona-Pandemie auf die Therapieentscheidung
Weiterhin wurde dem Patienten mitgeteilt, dass jedoch aktuell aufgrund der beginnenden Corona-Pandemie eine operative Versorgung nicht stattfinden könne, sondern diese erst frühestens gegen Juni/Juli, sobald sich die Corona-Situation besser einschätzen ließe, möglich sei. Für den Patienten hätte dies aber weitere weitreichende Folgen gehabt. Da er aufgrund seiner schweren Verletzung arbeitsunfähig war, wollte er im September 2020 eine Umschulung beginnen, an der er jedoch bei einem OP-Termin erst im Juli, nicht mehr hätte teilnehmen können. Sein Wiedereinstieg ins Arbeitsleben hätte sich somit um ein weiteres ganzes Jahr verschoben.

Aus dieser Situation heraus suchten der Patient und seine Frau nach möglichen Alternativen und stiessen bezüglich der konservativen Pseudarthrosebehandlung auf meine Praxis. Nachdem ich die Krankengeschichte und die Bilder des Patienten studiert hatte, musste ich dem Patienten mitteilen, dass der Versuch einer konservativen Therapie mittels Stosswelle, mit einem Grossgerät in der Klinik vorgenommen werden sollte. Nur waren mir hier wegen der Corona-Pandemie ebenfalls die Hände gebunden, denn ich durfte als Externer nicht auf die Grossgeräte in der Klinik zugreifen.

Kombinationstherapie mit Stosswellengerät in der Praxis
Aufgrund dieser Lage und in Anbetracht des Mangels an Alternativen einigte ich mich mit dem Patienten auf einen Therapieversuch mit meinem elektromagnetischen Praxis-Stosswellengerät in Kombination mit einer ultraschallgesteuerten PRP-Injektion in den Pseudarthrosenspalt. Daraufhin führte ich im April vier fokussierte Stosswellenbehandlungen nach Ultraschallortung des Pseudarthrosespaltes aus zwei Richtungen mit jeweils 3000, also insgesamt 6000 Impulsen mit einer Energieflussdichte von 0,55 mJ/mm² pro Behandlung durch. Ausserdem erfolgte eine PRP-Injektion unter Sicht, ebenfalls ultraschallgesteuert, in den Pseudarthrosespalt (Abb. 2).

Abb. 2: Platelet-Rich-Plasma-Injektion bei Femurschaftpseudarthrose.

Abb. 2: Platelet-Rich-Plasma-Injektion bei Femurschaftpseudarthrose.

Die Behandlungstermine gestalteten sich völlig problemlos, waren für den Patienten weitgehend schmerzfrei und es wurden keine unerwünschten Nebenwirkungen beobachtet. Bei der darauffolgenden Kontrolluntersuchung in der Universitätsklinik am 11.05.2020 – also gerade einmal vier Wochen nach Beginn der Behandlung in meiner Praxis – konnten im Röntgenbild nun erstmals eine Kallusbildung und beginnende Durchbauungszeichen dargestellt werden. Aufgrund dessen sahen die behandelnden Kollegen der Universitätsklinik nun zunächst von einer weiteren operativen Intervention ab und rieten dem Patienten, den konservativen Therapieansatz fortzusetzen. Wir führten daraufhin noch zwei weitere Stosswellentherapiesitzungen nach oben genanntem Schema sowie eine weitere ultraschallgesteuerte PRP-Injektion durch. Die seitdem Ende Juni und Anfang August 2020 durchgeführte Kontrolluntersuchung zeigten nun weiter eine langsame aber stetig zunehmende Durchbauung der Fraktur (Abb. 3).

Abb. 3: Femurschaft 3 Monate nach Stosswellentherapie und PRP-Injektion.

Abb. 3: Femurschaft 3 Monate nach Stosswellentherapie und PRP-Injektion.

Fazit und Ausblick
In diesem Fall konnte dem Patienten also ein grosser weiterer chirurgischer Eingriff erspart werden. Daher möchte ich vorschlagen, dieses Therapieschema in Kombination aus ultraschallgesteuerter PRP-Injektion und fokussierter Stosswellentherapie (bei den langen Röhrenknochen möglichst mit einem Grossgerät) auch in Zukunft bei Pseudarthrosen der langen Röhrenknochen als Behandlungsoption vor einem operativen Eingriff in Erwägung zu ziehen. Die beiden Verfahren scheinen hier einen synergistischen Effekt zu erzielen. Bei meiner Literaturrecherche Hierzu bin ich lediglich auf eine Studie zur Kombination der beiden von mir angewendeten Verfahren gestossen1,2. Zu den einzelnen Verfahren existieren jedoch zahlreiche Studien3–7, die die Wirkung belegen. Da beide Verfahren ihre Wirkung im Gewebe aufgrund der Zytokine erzielen, macht dies auch durchaus Sinn.

Autor: Dr. med. Raul Borgmann
Privatpraxis für Orthopädie & Osteopathie
Gartenstrasse 1, 79098 Freiburg
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Literatur:
1. Rughetti A, Flamini S, Colafarina O et al. Closed surgery: autologous platelet gel for the treatment. Blood Transfus 004;2:37-43.
2. Großner T, Schmidmaier G. Konservative Therapieoptionen der Pseudarthrosen. Unfallchirurg 2020;123:705–710.
3. Wang L, Yang JY, Zhang BW et al. Plateletrich plasma injection for the treatment of atrophic fracture nonunion. Zhongguo Gu Shang 2020;33(3):261–264. [Article in Chinese] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32233256/
4. Mahadik SK, Mehta S, Deshpande S et al.Autologous platelet injection in the treatment of long bone nonunion: A prospective interventional study. Int J Orthop Sci 2018;4(3).
5. Bielecki T, Gazdzik TS, Szczepanski T. Benefit of percutaneous injection of autologous platelet-leukocyte-rich gel in patients with delayed union and nonunion.Eur Surg Res 2008;40(3):289–296.
6. Ghaffarpasand F, Shahrezaei M, Dehghankhalili M. Effects of Platelet Rich Plasma on Healing Rate of Long Bone Non-union Fractures: A Randomized Double-Blind Placebo Controlled Clinical Trial.Bull Emerg Trauma 2016;4(3):134–140.
7. Haffner N, Smolen D, Dahm F et al. Significance of extracorporeal shockwave therapy in fracture treatment. In: Wang CJ, Schaden W, Ko JY (Hrsg.): Shockwave Medicine. Transl Res Biomed 2018;6:42–63, Basel, Karger.

*Erschienen in den Orthopädischen Nachrichten 10/2020

 

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