Interview mit Paul Hobrough – Stosswellen in der Physiotherapie
In den letzten Jahren hat sich die Extrakorporale Stosswellentherapie (ESWT) als nicht-invasive und innovative Behandlungsmethode für eine Vielzahl von Muskel-Skelett-Erkrankungen etabliert. Wir haben uns mit Paul Hobrough unterhalten, einem erfahrenen Physiotherapeuten mit mehr als 15 Jahren Erfahrung auf dem Gebiet der Stosswellentherapie und der entsprechenden Ausbildung, um die Anwendung in der Physiotherapie und ihren Nutzen für Therapeuten zu besprechen.
Zunächst einmal: Welche spezifischen Muskel-Skelett-Erkrankungen lassen sich am wirksamsten mithilfe der Stosswellentherapie behandeln?
Um eine solche Frage zu beantworten, stützen wir uns entweder auf die Literatur oder auf unsere persönlichen Erfahrungen als Ärzte. Die Evidenzdaten würden auf Achillessehnen-Tendinopathie, Plantarfasziitis, Knochenheilung usw. hindeuten. Erfahrungsgemäss wird der Arzt, der eine bestimmte Art von Verletzungen häufig behandelt, aufgrund der Vielzahl der Fälle wahrscheinlich mehr positive Behandlungsergebnisse erzielen. Die Wahrheit ist, dass die besten Ergebnisse bei einer Verletzung, die vor etwa 2 bis 3 Monate entstanden ist, bei einer mittelgrossen bis grossen Sehne und einer körperlich aktiven Person erzielt werden. Die Auswahl der Patienten für eine Stosswellentherapie war schon immer der Schlüssel zum Erfolg, nicht die jeweilige Indikation oder Verletzung. Ich glaube, dass die meisten Muskel-Skelett-Erkrankungen von der Stosswellentherapie profitieren. Dies liegt jedoch am positiven Effekt, den sie auf die Erkrankung hat. Die Erkrankung kann durchaus zurückkehren, wenn der Patient nicht in Rehabilitationsübungen, Kraftaufbau und manchmal auch Biomechanik geschult wird. Wenn ich nur eine Erkrankung nennen dürfte, würde ich sagen: Tendinopathie des Mittelteils der Achillessehne.
Könnten Sie uns den typischen Ablauf einer Stosswellentherapie auf dem Gebiet der Physiotherapie erläutern und wie Therapeuten ihre Patienten auf diese Sitzungen vorbereiten sollten?
Ich beginne mit der EMTT (Extrakorporale Magnetotransduktions-Therapie) an der Verletzungsstelle. Dadurch werden die Zellen vorbereitet und die Ionenkanäle zurückgesetzt, um sie offen zu halten und die Natrium- und Kaliumübertragung zu ermöglichen. Anschliessend werden die umliegenden Muskeln mit radialen Stosswellen (R-SW) behandelt und zum Schluss werden gezielte Stosswellen an der Verletzungsstelle eingesetzt. Ich vergleiche dies gerne mit einer Dartscheibe. Wenn sich die Verletzung im Ziel in der Mitte befindet, öffnet die EMTT die Zellen, wodurch das Ziel grösser wird und man somit leichter ins Schwarze treffen kann. Im Anschluss daran verwende ich R-SW für alle Segmente um das Ziel herum und schliesse danach mit fokussierten Stosswellen (F-SW) am Ziel selbst ab. Dies ist meiner Meinung nach eine gute Veranschaulichung der Behandlung des Körpergewebes.
Können Sie Erfolgsgeschichten oder Patientenerfahrungen mit der Stosswellentherapie nennen, die in Ihrer Praxis besonders hervorstechen?
Da gibt es so viele, zum Beispiel von einem 800-Meter-Läufer mit einer Leistenzerrung im Jahr 2021, etwa 4 Wochen vor Bekanntgabe der Olympiaauswahl. Ich habe die zuvor genannte Behandlung durchgeführt und vor allem den proximalen Adductor longus mit fokussierten Stosswellen behandelt. Zudem habe ich EMTT und R-SW bei allen Adduktoren, dem medialen Quadrizeps, den medialen Kniesehnen und sogar bei den Gesässmuskeln angewandt. Bei den Qualifikationsläufen qualifizierte er sich nicht nur für die Olympiaauswahl, sondern lief auch die weltweit schnellste Zeit des Jahres 2021. Eine weitere faszinierende Geschichte ist die eines 11-jährigen Patienten, der wegen seiner Gangart gemobbt wurde. Er hatte O-Beine, die eher an ein Kind mit Zerebralparese erinnerten. Der Junge fiel regelmässig hin und konnte nicht rennen. Er war schüchtern und offensichtlich sehr verunsichert. Wir begannen mit R-SW an seinen medialen Kniesehnen, um die Kontraktur zu beseitigen. Tatsächlich litt er nicht an einer Zerebralparese, doch seine Eltern liessen ihn in den ersten Jahren oft sehr lange in einer Babyschale. Wir haben sein Nervensystem neu trainiert, seine Abduktoren durch Übungen gestärkt und radiale Stosswellen in grossem Umfang auf den kontraktierten Muskel angewendet. Zudem nutzten wir fokussierte Stosswellen an seinem unteren Rücken, um Nervensignale aufzubauen. Vor Kurzem hatte er seinen 13. Geburtstag, ist fröhlich, kontaktfreudig und hat viele Freunde. Er wird nicht mehr gemobbt. Das Wichtigste jedoch ist, dass er nun dem Laufteam der Schule angehört und sich mit Gleichaltrigen messen kann. Die Stosswellentherapie verändert Leben.
Wie sehen Sie die Zukunft der Stosswellentherapie auf dem Gebiet der Physiotherapie und wie wird sie sich Ihrer Meinung nach in den kommenden Jahren entwickeln?
Ich habe über den Einsatz der Stosswellentherapie bei gesunden Sportlern promoviert. Es gibt besonders überzeugende Evidenzdaten dafür, dass Stosswellen die Heilung im Muskelgewebe fördern können. Durch intensives Training werden Mikrorisse im Muskelgewebe verursacht. Wenn also Sportler sich mithilfe von Stosswellen schneller regenerieren können, können sie häufiger trainieren und so den Lohn in Form von besseren Leistungen ernten. Zudem bin ich der Meinung, dass Stosswellen die gleiche Mechanotransduktion wie Training bewirken. Daher glaube ich, dass ich in einigen Monaten den ersten Nachweis dafür erbringen werde, dass Stosswellen die Kraft gesunder Sportler verbessern. Das ist die Zukunft. In Bezug auf den Einsatz von Stosswellen ist das meine persönliche Nische.
Haben Sie vielen Dank, Paul, dass Sie Ihre Erkenntnisse über den Einsatz von Stosswellen in der Physiotherapie mit uns teilen.
Gut zu wissen:
Paul Hobrough ist der Gründer von ESWT Hub auf LinkedIn, einer Plattform, die medizinische Fachkräfte, die sich für ESWT, EMTT, Ultraschall und weitere regenerative Therapien für Muskel-Skelett-Erkrankungen interessieren, fortbildet und diese miteinander vernetzt.