Neue Erkenntnisse über funktionelle Konnektivität und neuronale Aktivierung
Die Transkranielle Pulsstimulation (TPS) befindet sich auch weiterhin auf dem Vormarsch als vielversprechendes nicht-invasives Neuromodulationsverfahren auf dem Gebiet der Neurowissenschaft. Aufgrund sich häufender Evidenzdaten zum therapeutischen Nutzen bei Alzheimer-Demenz – unter anderem die Verbesserung des Erinnerungsvermögens, der Gemütslage und der kognitiven Leistungsfähigkeit – liegt der Fokus der Forschung zunehmend auf den Mechanismen, die der TPS zugrunde liegen.
Bei dieser neuen Studie handelt es sich um die zweite Publikation der Forschungsgruppe in Zürich, die die Anwendung von TPS in Mausmodellen untersucht. Die aktuelle Studie baut auf früheren Forschungsprojekten auf, in denen TPS-induzierte vaskuläre Veränderungen festgestellt wurden.[1] Sie liefert wichtige Erkenntnisse über die neuronale Aktivität und die Wirkung von TPS auf das Netzwerk der funktionellen Konnektivität.[2] Mittels moderner Bildgebungs- und Histologiemethoden zeigen die Autoren auf, dass die TPS die Hirnaktivität moduliert und eine koordinierte Aktivierung der Gedächtnis-, Emotions- und motorischen Netzwerke des Gehirns auslöst.
Diese Ergebnisse vertiefen das Verständnis des Wirkmechanismus von TPS und untermauern das Potenzial von TPS als gezieltes Neuromodulationsverfahren.
Methodik
Zur Bestimmung der Auswirkungen der TPS auf die Hirnaktivität und -konnektivität wurde die Studie an zwei Gruppen von Mäusen durchgeführt: an Mausmodellen, die häufig bei Alzheimer-Demenz eingesetzt werden, und an einer genetisch gesunden Kontrollgruppe.
Die TPS wurde mithilfe des NEUROLITH®-Systems eingesetzt, bei dem Impulse mit klinisch bewährten Energiestufen angewendet werden. Bei jedem Tier wurden im Abstand von 15 Minuten zwei Stimulationsdurchgänge mit je drei Impulsen durchgeführt, die in einer definierten Sequenz mit Energieabgabe nach dem Schema niedrig–niedrig–hoch (0,05; 0,05 und 0,25 mJ/mm²) appliziert wurden. Die niedrige Energiestufe von 0,05 mJ/mm2 entspricht in etwa der im klinischen Setting eingesetzten Energie von 0,25 mJ/mm2, und zwar unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Schädeldicke von Menschen und Mäusen. Die höchste zulässige Energie (0,25 mJ/mm2) wurde hingegen zur Beurteilung der vaskulären Reaktion und möglicher unerwünschter Wirkungen angewendet, um festzustellen, ob innerhalb der bestimmten Sicherheitsspanne stärkere neuromodulatorische Reaktionen hervorgerufen werden können. Die Effekte wurden sowohl während der Stimulation (Calcium-Bildgebung) als auch im Anschluss an die Stimulation analysiert, wobei unmittelbar nach der TPS eine fMRT und im weiteren Verlauf eine histologische Analyse durchgeführt wurde.
Um die neuronale Aktivierung und die Netzwerkdynamiken zu bestimmen, nutzten die Wissenschaftler einen multimodalen Ansatz:
- Zum einen wurde eine In-vivo-Epi-Fluoreszenzbildgebung für die Calciumreaktion zur Visualisierung der neuronalen Aktivität in Echtzeit während der TPS durchgeführt.
- Darüber hinaus diente die Immunhistochemie der c-Fos-Expression als molekularer Marker für die Neuronenaktivierung.
- Zudem wurde eine funktionelle MRT im Ruhezustand (rs-fMRT) durchgeführt, um Veränderungen in der funktionellen Konnektivität des gesamten Gehirns vor der und im Anschluss an die Stimulation festzustellen.
Durch Kombination der genannten Methoden konnten die Wissenschaftler sowohl lokale Zellreaktionen als auch grössere Veränderungen bei der Netzwerkkommunikation des Gehirns untersuchen.
Ergebnisse
Die TPS löste eine klare und energieabhängige neuronale Aktivierung aus. Dies wurde durch die folgenden Ergebnisse deutlich:
- Starker Calciumeinstrom während der Stimulation, visualisiert mittels In-vivo-Fluoreszenz-Calcium-Bildgebung. Dies deutet auf eine unmittelbare neuronale Anregung als Reaktion auf jeden Impuls hin.
- Signifikanter Anstieg der c-Fos-Expression im Gyrus dentatus des Hippocampus, was im Anschluss an die Stimulation festgestellt wurde. Dies bestätigt die verzögerte Aktivierung gedächtnisrelevanter Neuronen auf molekularer Ebene.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die TPS mit hoher Wahrscheinlichkeit schnelle elektrophysiologische Mechanismen hervorruft, z. B. die Aktivierung mechanosensitiver Ionenkanäle, wodurch es zu einem Kaliumeinstrom und einer neuronalen Depolarisation kommt. Diese Hypothese wird durch die zeitliche Dynamik und Energieabhängigkeit der Reaktionen untermauert. Diese Effekte wurden sowohl bei Tieren im Alzheimer-Mausmodell als auch bei gesunden Kontrollmäusen festgestellt, was auf einen allgemeinen Wirkmechanismus hindeutet.
Anhand einer fMRT im Ruhezustand wurde beobachtet, dass die Stimulation auch zu einer schnellen und vorübergehenden Reorganisation der funktionellen Konnektivität führte. Ein merklicher Anstieg der Netzwerkaktivität wurde in den folgenden Arealen festgestellt:
- limbische Regionen (Hippocampus, Amygdala, Area entorhinalis)
- Hypothalamus-Subregionen, insbesondere im anterioren und ventromedialen Hypothalamus
- subkortikale Strukturen, einschliesslich der Basalganglien und des Mittelhirns
Diese Hirnareale sind an Gedächtnis-, Emotionsregulations- und Motorikprozessen beteiligt. Die festgestellten vergleichbaren Konnektivitätsmuster bei Tieren im Alzheimer-Mausmodell und bei Kontrollmäusen deuten darauf hin, dass die TPS eher zentrale neuronale Netzwerke aktiviert als krankheitsspezifisch wirkt.
Fazit
Ergebnisse aus tierexperimentellen Studien lassen sich zwar nicht unmittelbar auf klinische Ergebnisse übertragen. Die erzielten Ergebnisse untermauern jedoch die Hypothese, dass eine mechanische Stimulation mittels TPS die Hirnaktivität auf sichere Weise beeinflussen kann, da dabei die Neuronen- und Netzwerkprozesse ohne Thermik- und Kavitationseffekte aktiviert werden. Durch diese Erkenntnisse wird das Verständnis des TPS-Wirkmechanismus vertieft. Sie bilden damit eine robuste Grundlage für die Weiterentwicklung dieser Behandlung als Neuromodulationsverfahren bei der Erforschung neurodegenerativer Erkrankungen.
[1] Karakatsani, M. E., Nozdriukhin, D., Tiemann, S., Yoshihara, H. A. I., Storz, R., Belau, M., Ni, R., Razansky, D. & Dean-Ben, X. L. (2025). Multimodal imaging of murine cerebrovascular dynamics induced by transcranial pulse stimulation. Alzheimer’s & Dementia, e14511. https://doi.org/10.1002/alz.14511
[2] Karakatsani, M. E., Getzinger, I., Nozdriukhin, D., Tiemann, S., Yoshihara, H. A. I., Storz, R., Belau, M., Ni, R., Dean-Ben, X. L., & Razansky, D. (2025). Transcranial pulse stimulation modulates neuronal activity and functional network dynamics. Brain Stimulation, Volume 18, Issue 6, 1834 – 1842. https://doi.org/10.1016/j.brs.2025.09.021